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8.3.02-22.3.02 | Brasilien

Brasilien - Architektur, Städtebau und Landschaft

Als der Pilot der Fluggesellschaft Varig um 4.00h brasilianische Lokalzeit die Passagiere der MD 11 weckte um mitzuteilen, dass der Treibstoff leider nicht bis Sao Paulo reiche, und er darum gedenke in Salvador de Bahia zwischen zu landen um aufzutanken, da er auf dem Flug von Frankfurt kommend starke Gegenwinde gehabt habe, war dies wohl etwas überraschend, aber auf der anderen Seite auch beruhigend. Es soll ja auch Piloten geben, die nicht so offen sind bezüglich den Gründen von Flugplan Änderungen. Für viele der 18 Teilnehmer dieser Reise war es ein erster Besuch in Brasilien. Die älteren Jahrgänge darunter erinnerten sich an einige bekannte Architekten, die während der sechziger Jahren als Stars gehandelt worden waren, in der Tradition der klassischen Moderne, oft Schüler oder mindestens Verehrer von Le Corbusier. Die Reise war vom Lehrstuhl Prof. Oswald der ETHZ fachlich vorbereitet worden, eine ähnliche Studienreise fand zwei Jahre vorher für Studenten diese Lehrstuhls statt.

Vier Stadtregionen waren unser Ziel, Sao Paulo, das wirtschaftliche und bevölkerungsmässige Zentrum Brasiliens mit etwa18 Mio. Einwohner. Brasilia, die 1960 eingeweihte "neue" Hauptstadt mit heute auch schon 2 Millionen Einwohner. Belo Horizonte und Rio de Janeiro, die schöne Vorzeigestadt, auch etwa 10 Millionen "gross", das urbane Aushängeschild, auch die heisseste Grossttadt Brasiliens, am Ende unserer Reise. Vieles ist nicht mit europäischen Verhältnissen vergleichbar. Die bauliche Dichte dieser Städte finden wir in dieser Art einzig in einigen neueren asiatischen Grosstädten wie Hong Kong oder Schanghai / Pudong. Auch das Wohnhochhaus mit 30 - 50 Geschossen als verbreitete und akzeptierte urbane Wohnform, finden wir in diesen brasilianischen Städten seit den fünfziger Jahren, nicht aber in dieser Konzentration und Verbreitung in europäischen Grosstädten. Die institutionalisierte soziale Polarisierung, wie sie in unseren zentraleuropäischen Ländern seit einigen Jahren erst beginnt, ist in Brasilien seit einigen Jahrzehnten schon Wirklichkeit. "Gated communities" - als der Normalfall für die Wohngebiete der besser Verdienenden, etwas anderes gibt es nicht.

Sao Paulo, das gebaute "Metropolis" von Fritz Lang

Die Stadtarchitektur Sao Paulos ist ein guter Einstieg in dieses bedeutendste Land Südamerikas. Vom Dachgeschoss des „Edificio Itaila“, dem 1956 erstellten höchsten Gebäude des alten Zentrums, ist der Blick auf das benachbarte "Edificio Copan" - (O. Niemeyer, 1951) - und das allgemeine bauliche Eingeweide dieser riesigen Stadt nicht nur sicht- sondern auch hautnah spürbar. Von dort ahnt man auch das in den letzten fünfzig Jahren entstandene neue Zentrum Sao Paulos, entlang der "Avenida Paulista", eine axiale Aufreihung von repräsentativen Geschäfts- und Kulturbauten, vorwiegend zwischen 20 und 40 Geschossen hoch. Auch überbrückt diese Strassenachse diverse durch die Topographie vorgegebene Ebenen, auf die man ab und zu hinuntersieht und die 12- bis 16 spurigen Schnellstrassen wenigstens akustisch wahrnimmt.

Brasilia - 40 Jahre, Belo Horizonte - 100 Jahre danach

Als diese neue Hauptstadt anno 1960 eingeweiht wurde, ein Kraftakt des damaligen Präsidenten Kubitschek, wurden bald Stimmen laut, die an der Langlebigkeit dieser Stadt begannen zu zweifeln. Heute nach dem vierzigsten Geburtstag dieser Stadt, wird kaum mehr jemand an der Langlebigkeit zweifeln, die Bevölkerung hat sich auf über 2 Millionen erhöht und steigt weiter. Das "Architekturmuseum" der Zentrumsbauten dominiert immer noch das Stadtbild, auch wenn in einigen Punkten die stadtplanerischen Vorgaben von Lucio Costas Plan verlassen worden sind. Die „Superquadras“ rechts und links der Hauptachse, haben sich aufgefüllt und scheinen recht gut zu funktionieren. Auch hier ist das Wohnen im Grossblock eine Selbstverständlichkeit, nicht nur in Sao Paulo oder Rio. Der plastische Erfindungsreichtum der Bauten von Niemeyer ist hier wohl am deutlichsten zu spüren, auch wenn die späten Beispiele der neunziger Jahre nicht mehr die Kraft der Bauten aus den fünfziger und sechziger Jahren aufweisen. In Belo Horizonte, auch einer "neuen" Stadt mit nur wenigen Millionen, die nach dem Plan von Chicago zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts angelegt wurde, finden wir in dessen Vorort Pampulha einige kleinere, poetische Bauten Niemeyers aus den vierziger Jahren.

Ouro Preto - Goldgräber Barockstadt aus dem 18. Jahrhundert

Der Tagesausflug von Belo Horizonte nach Ouro Preto gab einen Eindruck von der Landschaft und gleichzeitig einen Einblick in die Stadtbaukunst und Architektur des 18. Jahrhunderts. Gegründet um 1700 und verlassen um ca 1800 zeugt diese Stadt vom Goldgräberboom jenes Jahrhunderts in dieser Gegend. Auch zeigt diese Stadt, wie damals das schnelle Geld investiert wurde, nämlich in 200 Barockkirchen und reich verzierten Bürgerhäusern.

Rio de Janeiro - Weltstadt in heissem Klima.

Der Nobelstrand von Copacabana hat sicher in den vergangenen Jahrzehnten einiges von seiner Vornehmheit verloren, auch mit der Pflästerung von Burle Marx. Heute ist es nicht empfehlenswert während den Nachtstunden in den Seitenstrassen alleine zu promenieren. Die Stadtgestalt in Zusammenhang mit Topographie und tropischer Vegetation bleibt eindrucksvoll. Neben vielen Bauten von Niemeyer, Costa, Reidy und vielen anderen Stars der fünfziger bis achziger Jahre, ist eines der ersten Beispiele der klassischen Moderne, das seit kurzem renovierte Erziehungsministerium aus den Jahren 1936/37 am eindrücklichsten. Le Corbusier, Costa, Reidy und Niemeyer können hier als verantwortliche Architekten genannt werden. Eindrücklich bleibt von dieser Reise auch der Eindruck, dass die Innovation in der Architektur in jenen Jahren neben räumlich / plastischen Aspekten sich auch auf konstruktive und soziale Bereiche ausdehnte. Heute hat man oft den Eindruck, Innnovation beschränke sich bei den heute als "Stars" gehandelten Architekten auf Kubatur-, Fassaden- und Materialaspekte.